jk032
Sechs handliche Barren aus Kupfer hat Sebastian Körbs aus einigen eingeschmolzenen radierten Platten anderer Künstler gegossen. Die Radierungen lassen sich nun, nach dem Akt der Zerstörung der Druckplatten, nicht mehr reproduzieren. Der Verlust des Bildträgers ist relativ, sind die Radierungen der anderen Künstler doch als Erinnerungen dem Material eingeschrieben, und steht für Körbs nicht im Vordergrund. Vielmehr geht es ihm um ein Bewusstmachen von Transformationsprozessen. Die starke physische Präsenz der Barren die spezifische Farbigkeit, die glänzende Oberfläche und das Gewicht stehen im Kontrast zum Reliefcharakter einer radierten Platte und zur Feinheit der Strichbildung und filigraner Anmutung eines Drucks auf Papier. Das skulpturale Moment in der Druckgraphik, das Körbs mit seiner Arbeit betont, ist heute weitestgehend aus dem Fokus der Rezeption geraten. Über Jahrhunderte hinweg richtete sich das Hauptaugenmerk auf den finalen Abdruck und das geistige Verhältnis von Bild und Vorbild im Bezug auf Vorlagen aus der Malerei und deren Reproduktion im Druck. Aus heutiger Sicht wird die Druckform primär als ein Zwischenschritt beurteilt, ein Werkzeug auf dem Weg zum Druck und gilt nicht als das eigentliche Produkt des Künstlers. In der Frühzeit der Druckgraphik war die Wahrnehmung eine Andere: Seit 1440 wurde die Bezeichnung „sculptor“ nicht mehr nur für Bildhauer und Steinmetze verwendet, sondern schloss auch die neu entstandenen Berufe von Metall und Holzschneider mit ein. Damit wurde die Herstellung einer plastischen Druckform als eine dem Anfertigen von Skulpturen ähnliche Tätigkeit gewürdigt. Dass für Künstler und Theoretiker des 15. Jahrhunderts der Reliefcharakter des Holzstocks oder der Metallplatte so stark im Fokus stand ist nicht verwunderlich: Der Kupferstich hat seinen Ursprung im Goldschmiedehandwerk, wo man ziselierte Schmuckstücke abdruckte, um eine Kopie der Ornamente bewahren zu können. Aus dieser Differenz der Beurteilung, zwischen der Kunstgeschichtsschreibung der frühen Neuzeit und heutiger Rezeption heraus, entstand Sebastian Körbs Arbeit „o.T. (JK032)“. Mit der DIN Norm APS 252 wählt Körbs ein scheinbar neutrales Format, das mehrere Anknüpfungspunkte zur Interpretation zulässt. Zum einen steht es in seiner engen Definition im Kontrast zu der unendlichen Potenz der Formen und Bilder, die mit dem Werkstoff umgesetzt werden können. Tatsächlich bietet das Kupfer die Möglichkeit, immer wieder zu neuen Platten gewalzt zu werden, immer wieder als Bildträger zu dienen. Mit der Form des Barrens knüpft Körbs aber auch an das Thema der Wertschöpfung an: Die standardisierte Form zur Aufbewahrung von Schwermetallen verweist auf die unterschiedlichen monetären Werte, die dem Kupfer als Rohstoff in der Wirtschaft, als kostbares Kulturgut in Form einer historisch bedeutsamen Kupferplatte oder als Material einer zeitgenössischen Skulptur zugeschrieben werden.
Text: Jasmin Meinold